Jüdisches Karlsruhe
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Im liberalen Baden waren Juden von Anfang an in Karlsruhe willkommen. Zunächst gab es nur einen einfachen Betsaal, ehe 1798 der Grundstein zu einer ersten großen Synagoge gelegt wurde. Nach Plänen von Friedrich Weinbrenner entstand Ecke Kronen- und Lange Straße (heute Kaiserstraße) ein geräumiger Bau im klassizistischen Stil, dem Tempel von Jerusalem nachempfunden. 1800 geweiht, fiel diese Synagoge 1871 einem Großbrand zum Opfer.
An der selben Stelle wurde 1872-75 eine neue, liberale Synagoge errichtet nach den Plänen von Josef Durm. Dieses repräsentative Gebetshaus besaß sogar eine Orgel. In der Reichspogromnacht 1938 wurde die Synagoge zunächst in Brand gesetzt, dann aber gelöscht, da sich ein Benzinlager in der Nähe befand. Doch musste das Gebäude innerhalb weniger Tage auf Kosten der Gemeinde abgetragen werden. Heute erinnert eine Gedenktafel an diese Durm-Synagoge. Die beiden Flügelbauten der Durmschen Synagogen-Anlage sind noch erhalten.
Nach dem Großbrand der Weinbrenner-Synagoge trennten sich liberale und orthodoxe Juden. So entstand 1881 auf dem Areal des Innenhofs des heutigen Braun-Verlags in der Karl-Friedrich-Straße eine orthodoxe zweite Synagoge nach Plänen von Gustav Ziegler, mit Bethaus, Mikwe (rituelles Bad) und Schule. Diese Synagoge wurde ebenfalls in der Reichspogromnacht zerstört und auf Kosten der Gemeinde abgetragen, obwohl sie von außen gar nicht sichtbar war, sondern von Wohnhäusern verdeckt war, die ebenfalls zur Gemeinde gehörten. Die Mikwe hatte überlebt, fiel erst dem Bau der Verlagstiefgarage zum Opfer.
An einem Pfeiler ist eine Gedenktafel angebracht.
Nach wie vor im Besitz der jüdischen Gemeinde Karlsruhe ist ein 1889 von Curjel & Moser erbautes Gebäude in der Herrenstraße, das während der Pogromzeiten zusammen mit dem Hotel Nassauer Hof in der Kriegsstraße vielen Juden als letzte Zufluchtsstätte diente. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Haus von der jüdischen Gemeinde als Gemeindehaus genutzt. Im Hinterhof befand sich 1951-71 ein zur (4.) Synagoge geweihter Betsaal.
1971 schließlich erhielt die jüdische Gemeinde am Rande des Hardtwalds in der Karlsruher Nordstadt eine Neue Synagoge mit Festsaal und Verwaltungsgebäude, erbaut nach Plänen des Architekturbüros Backhaus und Brosinsky. Grundriss ist der sechsgezackte Davidstern. Neben stehendes Foto ist mit dem ausführlichen Foto-Beitrag auf dieser Homepage verlinkt -> |
Weitere jüdische Spuren in Karlsruhe:
Das ehemalige jüdische Hotel Nassauer Hof in der Kriegsstraße wurde in der Reichspogromnacht zwangsgeräumt, die Menschen auf den Adolf-Hitlerplatz (heute Marktplatz) vor das Bezirksamt (heute Polizeipräsidium) geschleppt, zum Abtransport ins Lager Gurs. - Das Hotelgebäude steht heute noch. Stolpersteine davor erinnern an die Gräuel jener Zeit.
Der erste jüdische Friedhof von Karlsruhe zwischen Lidellplatz und Kriegsstraße wurde zwecks des Baus der Kriegsstraße aufgehoben, etwas, das vom jüdischen Gesetz her gar nicht geschehen darf. Orthodoxe Menschen wie Rav Jacob Nathanael Weil wurden in den orthodoxen Teil am Hauptfriedhof verlegt, andere in den alten Friedhof an der Kriegsstraße. Heute steht hier die Heinrich-Hübsch-Schule (Berufsschule), errichtet 1983-85.
Eine Gedenktafel erinnert an den einstigen Friedhof.
Ein altes Portal der Lidellschule ist erhalten aus jener Zeit, als jüdische Schüler hier durch passierten, um zu ihrer jüdischen Schule zu kommen, die in Räumlichkeiten der Lidellschule untergebracht war. Am Lidellplatz befand sich auch das jüdische Krankenhaus, das im Zuge der Altstadtsanierung 1967 abgerissen wurde.
Ehemals jüdische Geschäftshäuser, die aus jener Zeit erhalten sind:
Das erste Karlsruher Kaufhaus Knopf, liebevoll „Knöpfle“ genannt, 1881-1912 als „Warenhaus der Geschwister Knopf“ in einem Weinbrennerbau, dem Haberschen Haus, eingerichtet, 1912-14 Neubau des heutigen Gebäudes, 1938 zwangsarisiert, heute Karstadt. Erstmals wurden modische Schnitte in verschiedenen Größen zu Festpreisen angeboten. - Irgendwann entkernt und mit Neubau vergrößert, ist von der damaligen Inneneinrichtung mit den prachtvollen Stiegen von Etage zu Etage leider nichts mehr geblieben, als meine Erinnerung daran. Ich liebte dieses Kaufhaus; es gefiel mir. -
Auch an das zweite Karlsruher Kaufhaus „Union“ kann ich mich noch ziemlich gut erinnern. Irgendwann musste es dem Neubau von HERTIE weichen, in dem sich heute Karstadt Sport befindet.
Das jüdische Bankhaus Veit L. Homburger wurde 1854 gegründet. Das heutige Gebäude wurde 1899-1901 von Curjel & Moser erbaut. 1939 erfolgte die Zwangsliquidierung; 1940 - 2010 befand sich die Kommunale Landesbank darin. Heute kann man hier einkehren ...
Öffentlich jüdisches Leben in Karlsruhe heute
Gott sei Dank gibt es das wieder! - Seit einiger Zeit gibt es sogar eine Haltestelle, die "Synagoge" heißt. - Zu Sukkot, dem jüdischen Laubhüttenfest, entdeckte ich 2012 erstmals eine öffentliche Sukka (Laubhütte) zwischen Stephanskirche und dem Gemeindezentrum St. Stephan; dass die Sukka speziell hier stand, hat mich als mosaisch geprägte "Stephänlerin" mit besonderer Freude erfüllt. - Schon seit einigen Jahren steht am Rande des Marktplatzes, Aug' in Aug' mit dem christlichen Weihnachtsbaum, ein großer Chanukka-Leuchter, an dem 8 Tage lang zu Chanukka, dem jüdischen Lichterfest, je ein Lichtlein mehr entzündet wird, bis alle Lichter brennen.